Publiziert am 30.10.2015
Flüchtlinge sollen ab sofort nur noch an fünf Übergängen über die bayerisch-österreichische Grenze gebracht werden. Darauf haben sich Deutschland und Österreich geeinigt, wie eine Sprecherin des deutschen Innenministeriums am Freitagabend sagte.
An den betroffenen Grenzübergängen sollen sogenannte Übergabe- und Kontrollstellen eingerichtet werden. „Man möchte ein geordnetes Verfahren erreichen, und das über den gesamten Tag“, wird die Ministeriumssprecherin von der dpa weiter zitiert. Medienberichte darüber, dass an den ausgewählten Grenzübergängen pro Stunde 50 Flüchtlinge einreisen könnten, bestätigte die Sprecherin nicht. Man könne sich nicht auf Zahlen einigen, weil man schließlich nicht wisse, wie viele Flüchtlinge überhaupt die Grenze erreichten.
Das Ministerium machte auch keine Angaben darüber, um welche Grenzübergänge es sich handelt. Nach dpa-Informationen sind in Niederbayern die Grenzübergänge Wegscheid, Passau-Neuhaus und Simbach am Inn als Übertrittsorte vorgesehen. Die Umsetzung soll bereits am Samstag erfolgen.
Wien will „Angebot“ nutzen
Im Innenministerium sprach man von einem „Angebot“ Berlins, das man nutzen werde. „Jedes Angebot in Richtung einer organisierten Einreise nach Deutschland wird von österreichischer Seite genutzt“, sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Freitagabend gegenüber der APA. Das verringere „den Druck in Richtung selbst organisierter Einreise“. Täglich kämen Tausende Flüchtlinge aus Slowenien nach Österreich, die ohne organisierten Transport auf eigene Faust und „außerhalb des Einflussbereiches der österreichischen Behörden“ versuchten, nach Deutschland zu gelangen.​​​​​​​​​​​​​​
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa
Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) sieht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) offenbar noch weiteren Verhandlungsbedarf mit Österreich. In Bayern sollen Flüchtlinge künftig unterdessen schneller weitergeleitet werden. Darauf hätte sich die bayerische Regierung mit der Opposition bei einem Krisengespräch am Freitag geeinigt. Um auch „unvorhersehbare Spitzen“ künftig besser bewältigen zu können, sollen „SZ“-Angaben zufolge „ausreichend Züge und Busse bereitgestellt werden“.
Neue Großraumzelte an bayerischer Grenze
Der Großteil der Flüchtlinge passierte zuletzt bei Passau bzw. Salzburg die deutsch-österreichische Grenze. In Oberösterreich wurde am Freitag der Aufbau von drei winterfesten Großzelten für je 1.000 Personen in den grenznahen Ortschaften Kollerschlag, Braunau und Schärding angekündigt. In Kollerschlag im Bezirk Rohrbach im Mühlviertel wurde bereits am Freitag das neue Transitzelt errichtet, dort sollen 1.000 Menschen übernachten.
Ein Polizeisprecher dementierte Medienberichte, wonach es in Kollerschlag zu Unruhen gekommen sei. Der Rückstau sei beabsichtigt, weil Flüchtlinge von anderen Grenzübergängen ins einzige beheizte Zelt nach Kollerschlag gebracht worden seien. Damit habe man nämlich auf die untragbare Situation der vergangenen Tage reagiert.
Der für Integration zuständige oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) bezeichnete den Aufbau der Zelte an der Grenze zu Bayern als unerlässlich. Bisher hatten die Menschen oftmals stundenlang im Freien ausharren müssen, bis sie mit Bussen in die deutschen Unterkünfte gebracht wurden. Besonders in den späten Abendstunden waren die Temperaturen stark gesunken - die Gesundheit der Flüchtlinge, darunter viele Kinder und Säuglinge, war gefährdet.
Schärding akzeptiert Zeltaufbau
In Schärding hat der Gemeinderat unterdessen auch, wenn auch zähneknirschend, den Aufbau eines Großzeltes akzeptiert. Am Samstag wurde mit dem Aufbau begonnen - einsatzbereit sein soll das Großraumzelt ab Montag.
„Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es andere Standorte gäbe, wo keine Altstadt angrenzt und so massiv betroffen ist, aber wir müssen die Entscheidung akzeptieren und mit der neuen Situation umgehen“, sagte Schärdings Bürgermeister Franz Angerer (ÖVP) per Aussendung, der Ende vergangener Woche noch mit einer von allen im Gemeinderat vertretenen Parteien - ÖVP, SPÖ und FPÖ - getragenen Resolution versuchte, den Zeltaufbau zu verhindern.
Anschober versuchte, die Wogen unter anderem mit dem Hinweis zu glätten, es handle sich bei dem angekündigtem Großraumzelt nicht um ein Quartier für Wochen oder Tage, sondern lediglich um einen warmen Warteraum für durchreisende Flüchtlinge. Grundsätzlich wollte aber auch Anschober nicht ausschließen, dass in Oberösterreich ebenfalls weitere winterfeste Notquartiere benötigt werden. Entscheidend sei hier nicht zuletzt, in welche Richtung sich Deutschland in der Flüchtlingsfrage künftig bewegt.
Freilassinger Stadtoberhaupt kritisiert Österreich
Für die deutsche Bundespolizei ist unterdessen die Aufstellung von Transitzelten an der Grenze auch ein Zeichen dafür, dass der Zulauf der Flüchtlinge an den betroffenen Grenzübergängen auch in den kommenden Tagen nicht abbrechen wird. Neben den Grenzübergängen in Oberösterreich kommen nach wie vor auch Hunderte Flüchtlinge über Salzburg nach Bayern. Mit einem „Brandbrief“ an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte zuletzt der Bürgermeister des bayrischen Grenzortes Freilassing, Josef Flatscher (CSU), seinen Unmut über die aktuelle Flüchtlingspolitik und übte dabei auch Kritik an Österreich.
Der CSU-Politiker verlangte, dass die Polizeikontrolle der Flüchtlinge bereits auf österreichischem Boden erfolge, insbesondere auf Bahnhöfen in Linz und Salzburg. Danach sollten diese mit Zügen nach Deutschland gebracht werden. Flatscher kritisierte in diesem Zusammenhang Österreich, das sich in der Bewältigung der Flüchtlingskrise „nicht im gleichen Maß wie bisher Deutschland“ einbringe.
Neben der bayrischen Landesregierung mehrte sich zuletzt auch in der deutschen Bundesregierung Kritik an der österreichischen Vorgangsweise. Konkret wurde Österreich eine mangelnde Absprache mit den deutschen Behörden vorgeworfen. Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) forderte in diesem Zusammenhang Österreich zuletzt dazu auf, „zu geordneten Verhältnissen zurückzukehren“.
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